Meditation

Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.
(Galileo, Galilei)

Einführung

Zu kaum einem Thema existieren so viele widersprüchliche Klischees. Eines der vielen Bilder zeigt eine bescheidene Hütte auf dem kargen Gipfel eines Berges. Dort wohnt ein von der Welt entrückter Mönch, der seinen Tag aausschließlich mit Meditation gestaltet. Dem, der sich auf den anstrengenden Weg dorthin gemacht hat, erteilt dieser Weise bedachte und mysteriöse, Ratschläge.
Am anderen Pol findet sich eine chaotische Frau, die einsam in ihrem mit Räucherstäbchen durchtränkten Zimmer Om singt und ungefragt absurde und obskure Ideen von sich gibt. Es ist offensichtlich, dass sie ihre Meditation dazu nutzt, ihre Neurosen zu übertünchen.
Im unübersehbaren Markt der Lifestyle- und der Esoterikindustrie finden wir noch ein drittes Bild: Meditation als die einfach zu erlernende Entspannungstechnik für den gestressten Mitteleuropäer.

Was bedeutet Meditation?

Bei so unterschiedlichen Bildern ist es kaum verwunderlich, dass sich hinter dem Begriff Meditation unzählige Techniken verstecken. Der Begriff Meditation kommt aus dem Latein und bedeutet Nachdenken, Einübung. Doch worüber wird nachgedacht? Was wird eingeübt? Meditation, wie wir sie in Ananda Marga verstehen, ist die Suche nach dem Innersten. Was ist dieses Innerste? Es ist nichts anderes als der Spiegel des Allumfassenden, nichts anderes als der göttliche Kern in uns. Und wie wird dieses Nachdenken eingeübt? Am Einfachsten mit Mantren, dies sind besondere Worte, die einen bestimmten Klang, einen Rhythmus und einen positiven und spirituellen Grundgedanken beinhalten, der sich durch ihren Gebrauch schrittweise verwirklicht.

Meditation zur Selbstheilung?

Tatsächlich sind inzwischen bestimmte Meditationstechniken in der psychiatrischen Medizin bewährte und anerkannte Mittel, um sogar schwerste psychische Störungen zu behandeln. Doch nehmen wir das oben gesagte ernst und wählen eine Meditationstechnik, die uns zu unserem Innersten führen soll, die uns mit der Unendlichkeit des Seins verbinden soll, dann entsteht die Frage, ob das einfach und ohne jede Voraussetzung funktioniert. Vielleicht hilft eine Analogie diesen Sachverhalt zu verstehen.
Es ist allgemein bekannt, das Wandern den Körper fit hält. Wähle ich aber das höchste Ziel, wähle ich einen der Achttausender dieser Welt und versuche diesen zu ersteigen, dann ist physische Fitness nicht Ziel, sondern die Voraussetzung für meine Tour. Gleiches gilt für jede ernsthaft betriebene Meditation. Sie soll uns in unbekannte Bereiche führen. Hierfür müssen wir körperlich und psychisch fit sein. Um dieses zu gewährleisten wird der spirituelle Aspirant viel unternehmen, indem er sorgfältig auf die Ernährung achtet, sich regelmäßig bewegt, versucht recht zu handeln etc.. Die geistige Gesundheit ist in diesem Sinne, nicht Folge sondern Voraussetzung für den spirituellen Weg. Die Erfahrung zeigt, dass gerade die spirituell Suchenden früher oder später auf ihre innere Abgründe stoßen, die nach Bearbeitung verlangen. Nach Außen kann das dann so aussehen, als sei die Meditation die Ursache dafür.

Braucht man Ruhe und Abgeschiedenheit für die Meditation?

Ohne Frage ist es leichter zu meditieren, wenn es weder äußere noch innere Störungen gibt, wenn es leicht fällt, sich auf das Ziel zu konzentrieren. Dennoch macht es nur vorübergehend Sinn, sich dem Trubel der Gesellschaft zu entziehen. Gerade als Meditierender besteht eine hohe Verantwortung gegenüber den Mitmenschen und der Umwelt. Denn das Wissen über sich selbst und diese Welt, ermöglicht dem Einzelnen ja erst sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Noch beachtenswerter ist, dass die Übernahme dieser Verantwortung erst jemanden für den spirituellen Weg qualifiziert und seine Suche erleichtert.
Auf der inneren Suche wird man unweigerlich neuen Hindernissen begegnen. Kein noch so abgeschiedener Ort hindert die eigenen Neurosen daran, sich in der Meditation Gehör zu verschaffen. Gerade diese Hindernisse haben es in sich. Ohne äußere Unterstützung wird es äußerst schwer fallen, sie zu bewältigen. Neben der spirituellen Gemeinschaft und dem persönlichen spirituellen Lehrer, kann gerade die Gesellschaft als Drittes dazu beitragen oder notwendige Unterstützung geben, entscheidende Korrekturen vorzunehmen.
Nicht zuletzt zwingt jede Störung dazu, den Geist noch mehr zu schärfen, sich noch mehr anzustrengen, um ihn zu fokussieren. Dieses Bemühen ist nichts anderes als ein inneres Fitnesstraining, das die Fähigkeit stärkt, sich weiter dem Kern des Selbst zu nähern. Insofern wird der wahrhaft Suchende jegliche Störung, sei sie positiv oder negativ, willkommen heißen und keineswegs versuchen ihr aus dem Weg zu gehen.

Meditation als Entspannungstechnik?

Meditation wird oft als ein Bestandteil von Lifestyle-Aktivitäten zusammen mit Fitnessstudios, Sauna, Sonnenbank etc. gelehrt. Wer meditiert werde ruhig, gelassen, entspannt etc. heißt es. Was ist daran wahr? In den wichtigsten Meditationsübungen sitzen wir bewegungslos, atmen ruhig, sind ganz auf unser innerstes konzentriert und blenden die äußere Welt aus. Ohne Zweifel sind dies sehr gute Voraussetzungen, um zu entspannen und ruhig zu werden. Doch dient dies keineswegs als Selbstzweck, sondern ist Mittel, um die optimalen Bedingungen zu schaffen für den inneren Prozess, der uns selbst näher bringen soll. Dies ist eine schwierige Aufgabe, die unserer ungeteilten Aufmerksamkeit bedarf.
Was dann passiert ist bei jedem unterschiedlich und wandelt sich im Verlauf einer mehrjährigen Meditationspraxis. Einmal wird man tatsächlich ruhig und entspannt aus der Meditation aufstehen, ein anderes Mal irritiert, und oft ist man auch voller Energie. Manchmal erscheint die Meditation, wie ein gewaltiger Fluss, der uns fort trägt, manchmal ist sie mühsam und anstrengend. Zeitweise wird man eigene Gedanken und Probleme nicht los, dann wieder irritieren kleinste Geräusche. Kein Wunder, dass man auf so viele Hindernisse stößt, denn man ist ja nicht untätig, sondern betreibt eine intensive innere Arbeit.
Tatsächlich wird man aber im Verlauf dieses Prozesses gelassener. Denn je mehr man sich seinem göttlichen Kern annähert, umso mehr relativieren sich Alltagserlebnisse, umso mehr lernt man die wahre Bedeutung der Dinge kennen.

Doch um es mit den Worten unseres spirituellen Lehrers zu sagen:

Kaum ein Prozent ist Theorie; Neunundneunzig Prozent ist Praxis. Und ihr wisst auch, dass eine gute Theorie, den Menschen nicht unbedingt hilft, es ist die Praxis die zählt.